Die unwirtliche Wüstengegend von Tindouf im Südwesten Algeriens lässt Selbstversorgung kaum zu. Die Flüchtlingslager sind für die Versorgung praktisch gänzlich von aussen abhängig, von der Unterstützung durch internationale Organisationen, Hilfswerke und Unterstützungskomitees. Praktisch alles, was die Menschen zum Überleben brauchen, wird mit Lastwagen in die Lager transportiert. Während der ersten Jahre des Exils (1975–1991) funktionierte die sahraouische Gesellschaft der Lager ohne Geld. Alle Erwachsenen waren in Aufbau und Organisation der Lager eingebunden und arbeiteten im Schul- und Gesundheitswesen, in der Verwaltung auf allen Stufen oder in der politischen Arbeit unentgeltlich mit. Die Polisario und der Rote Halbmond kümmerten sich darum, die für die Bevölkerung und den Staat lebensnotwendigen Güter zu beschaffen; jede Person bekam gleichermassen ihren Anteil von den Lieferungen an Hilfsgütern zugeteilt. So erhielt beispielsweise ein junges Paar bei seiner Heirat ein Zelt und die für das Leben notwendigen Haushaltungsgegenstände von seiner Gemeinde.
Der Beginn des Waffenstillstandes hat die Situation für die Bevölkerung verändert. 1991 begann Spanien mit der Auszahlung von kleinen Renten an seine ehemaligen Angestellten aus der Kolonialzeit. So kam Geld in die Lager und es wurden erste kleine Geschäfte eröffnet. Mit der Öffnung der Grenze zu Mauretanien konnten Waren aus dem Süden eingeführt werden. Seither hat sich die sahraouische Gesellschaft in den Lagern sehr verändert. Die Sahraouis entwickelten ein grosses, unüberschaubares Angebot an Läden und Geschäften aller Art, Restaurants, kleine Werkstätten für Autoreparaturen oder Elektronikzubehör. Es gibt beinahe alles zu kaufen – für diejenigen, die Geld haben!
Mit der Verringerung der internationalen Hilfe muss sich die Lagerbevölkerung nun auch selber um ihre Versorgung bemühen. So versuchen alle auf irgendeine Weise zu einem gewissen Einkommen zu kommen. Dazu dienen die vielen Geschäfte, Restaurants und Werkstätten. Ein kleiner Teil der Bevölkerung hat zudem die mobile Tierhaltung wieder aufgenommen und lebt als Nomaden in den befreiten Gebieten. Andere erhalten monatlich eine kleine Entschädigung für die Mitarbeit in einem der Entwicklungsprojekte, mit der sie den Einkaufskorb der Familie etwas aufbessern können. Die Benachteiligten sind in dieser Situation alle diejenigen, die für den Staat oder die öffentliche Verwaltung auf allen Ebenen arbeiten, in Ministerien, Schulen, Spitälern und Krankenstationen, da der Staat kein Geld hat, um Löhne zu bezahlen. So versucht die Polisario dieses Manko durch zusätzliche Abgaben von Hilfsgütern an LehrerInnen und KrankenpflegerInnen etwas auszugleichen und damit die Motivation der MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst zu erhalten.
Gesamthaft gesehen ist aber die Situation für die Bevölkerung prekär. Daher versuchen immer mehr junge Sahraouis, in Europa Arbeit zu finden, um ihre Familie in den Lagern zu unterstützen. Diese Jobs sind häufig schlecht bezahlt und die Dauer der Anstellung unsicher. In den ersten Jahren betraf dies fast ausschliesslich Spanien, seit der dortigen Krise vermehrt auch Frankreich und andere Länder Europas.
Ein Familiengarten-Projekt erlaubt einer zunehmenden Anzahl von Familien, mit selbstgezogenem Gemüse, z.B. Zwiebeln, Karotten, Randen, Tomaten, Zucchetti und Auberginen, ihren Speiseplan zu verbessern und so zu notwendigen Vitaminen zu kommen.
Obwohl nur wenig Geld in den Lagern vorhanden ist, findet nun doch eine zaghafte wirtschaftliche Entwicklung statt.