Bedingung für einen Kredit ist, dass das Unternehmen durch die vorgesehene Produktion – oder Dienstleistung – in irgendeiner Form tatsächlich einen Mehrwert erzeugt; ausgeschlossen ist somit ein simpler Weiterverkauf von eingekaufter Ware.
Produkte und Dienstleistungen müssen auf den lokalen Markt und die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Lagern ausgerichtet sein, nicht auf einen Absatz in Europa oder den Verkauf an «Solidaritäts-TouristInnen», welche die Lager regelmässig besuchen. Damit müssen auch die Preise den lokalen Möglichkeiten angepasst sein und nicht der Kaufkraft von EuropäerInnen.
Alle Gruppen arbeiten mit grossem Erfolg. Die meisten Gruppen produzieren heute sahraouisches Gersten-Kuskus oder geröstetes Gerstenmehl, mit dem unter anderem n’sche, eine Art sahraouische Suppe, hergestellt wird. Dies sind Produkte, die auf dem algerischen Markt bisher kaum zu finden sind, von den Sahraouis aber sehr geschätzt werden. Damit gibt es mit dem Verkauf der Produktion überhaupt keine Schwierigkeiten: Die Nachfrage ist da!
Dekala, Mahmouda und Safia haben vor einigen Jahren mit der Produktion von geröstetem Gerstenmehl begonnen.
Gerste ist in den Lagern nur in Form von ganzen Körnern erhältlich. Sie muss erst noch gedroschen werden, um die Spelzen zu entfernen. Darauf wird ein Teil der Körner gemahlen: Daraus kann Kuskus hergestellt werden. Der andere Teil der Körner wird unter ständigem Rühren über dem Feuer geröstet, bis die Körner gleichmässig hellbraun sind, dann werden sie gemahlen: Dieses geröstete Gerstenmehl dient den Sahraouis zur Herstellung von n’sche.
Da Mahlen und Rösten der Gerste ziemlich zeitaufwendig ist, ziehen es viele Frauen vor, das fertige Mehl zu kaufen. Entsprechend gross ist die Nachfrage – das Geschäft von Dekala, Mahmouda und Safia lief von Anfang an gut. Bereits nach kurzer Zeit haben sie in der Nähe ihres Wohnhauses einen kleinen, leerstehenden Laden gemietet, um da ihre Produkte herzustellen und verkaufen zu können. Ein Jahr später haben sie nicht nur Gerste verkauft, die unmittelbare Nachbarschaft zur Schule der Dayra brachte sie auf die Idee, den Schülerinnen und Schülern eine Pausenverpflegung in Form von Znüni-Broten und Getränken zu verkaufen: ein kleines Sandwich zu 5 DA, ein grosses zu 10 DA, ein kleiner Becher mit Orangina zu 5 DA. Trotz der sehr bescheidenen Preise – 100 DA entsprechen 1 Euro – scheint sich das Geschäft zu lohnen.
Nach zwei Jahren haben die Frauen den gemieteten Laden aufgegeben und einen Produktions- und Verkaufsraum an ihr Wohnhaus angebaut, um «keine Miete bezahlen zu müssen», wie sie erklärten. Ich besuche die drei Frauen auf jeder Projektreise und freue mich immer wieder an ihrem Einsatz und ihrer Energie.
Wir sind uns bewusst, dass wir mit der Förderung von einigen wenigen Frauen-Unternehmen nicht die Einkommensprobleme aller Frauen in den Flüchtlingslagern lösen werden. Aber wir haben von Anfang an gehofft, dass auch wenige, erfolgreiche Projekte einen Schneeball-Effekt auslösen könnten und weitere Frauengruppen angeregt würden, es ebenfalls zu wagen. Eine Annahme, die sich schon bald in einigen spontanen Gruppen bewahrheitet hat.
Alle Gruppen arbeiten noch immer, teils mit erstaunlichem Unternehmensgeist, wie das erwähnte Beispiel zeigt. Die Zahl der unterstützten Gruppen ist jedoch sehr bescheiden, was damit zu tun hat, dass wir nicht mehr Geld zur Verfügung hatten. Das Bedürfnis in den Lagern ist um einiges grösser. Es besteht eine umfangreiche Liste von evaluierten Gruppen, die auf einen Kredit warten, um ihre Produktion starten zu können.